Tanz-Trilogie: Fest für die Sinne

Tanz-Trilogie (1)(Dietmar Laatsch) Es war wieder einmal ein Fest für die Sinne. Besonders für die Augen. Aber auch die Gefühle, die Seele, das Herz wurden angesprochen. Trilogie – feierte im Theater Hagen, im Großen Haus Premiere. Es begann eindrucksvoll und hörte auch so auf. Hugo Viera, Young Soon Hue und Ricardo Fernando erzeugten dabei trotz der Unterschiedlichkeit ihrer Themen, ihrer Bilder, ihrer Arbeiten einen durchgängigen Spannungsbogen auf einem sehr hohen Niveau. Perfekt dabei unterstützt durch Peer Palmowski mit seinen dazugehörigen Bühnenbildern, Spielen mit dem Licht und auch die Kostümierung von Heiko Mönnich gab den einzelnen Stücken ihre Ästhetik und erlaubte dazu dennoch sehr große Beweglichkeit. Die bei diesem sehr intensiven Tanz, diesem Lobgesang auf die Möglichkeiten der Körperlichkeit, faszinierte.
Beginnen wir mit Hugo Viera und zugleich Peer Palmowski, denn ohne seine stimmige Bühneninszenierung von „Mind over Matter“ wäre die Wirkung, übrigens in allen drei Stücken, nicht erzeugt worden. Im ersten Bühnenbild war das Spiel mit dem Licht ganz bedeutend. So wurde auch Tiefe des Raumes erzeugt, wo sie notwendig war und begleitete dann die einzelnen Bilder die Hugo Viera zeigen wollte perfekt, punktgenau, untermalend. Zur Musik von Max Richter komponierte Hugo Viera seine Choreographie übereinstimmend. Schon das eröffnende Solo von Shinsaku Hashiguchi war dabei ein opulenter Augenschmaus. Wie er den Menschen zeichnete, der sich verändernden Bedinungen stellen muss, der durch das Tal der Schmerzen, des Leidens, zu neuer Beweglichkeit gelangt. Thematisch ging es genau darum. Um die Herausforderung des Lebens zu meistern bedarf es des täglichen Kampfes, der Annahme der Begrenzungen, aber nur mit dem Ziel, über diese hinauszuwachsen. Dabei ging es auch sichtbar um Körperbeherrschung, Selbstüberwindung und Willensstärke. Wie bei der Metamorphose verwandelt sich der Mensch und kommt in sein nächstes Level, nur um dann wieder den Kampf mit sich aufzunehmen und alles erneut zu durchleben. Es kann und wird gelingen, war die Botschaft die Hugo Viera mit dem Schlussbild vermitteln wollte. Es war ein faszinierendes Spiel das sich da auf der Bühne vollzog. Atemlos betrachteten die Zuschauer, übrigens in allen drei Teilen, die Geschichte die ihnen durch wunderbare Tänzer und Tänzerinnen vermittelt wurde, um dann mit einem kräftigen, langanhaltenden Applaus auch den Akteuren die Anerkennung für ihre außergewöhnliche Leistung zu geben. Sehr sachkundig das Ballettpublikum, das eben nicht dazwischen klatschte und damit die Spannung aufrecht erhielt.
Tanz-Trilogie IBei „Touch“ war es die Ästhetik und Anmut die besonders hervorstechend war. Hier hatte Peer Palmowski einen klaren Raum vorgegeben. Er hatte Türen, die mal offen, mal geschlossen waren, allein durch das Spiel mit dem Licht, vorgegeben. Es war wie auf einem Kontakthof, der Zuschauer in der Rolle des Voyeurs. Young Soon Hue wollte genau das. Die Zuschauer mitnehmen, sie Einblick gewinnen lassen in die Intimität von Beziehungen. Der Rote Faden, um den es in ihrer Geschichte ging war leuchtend dekoriert. Das Spiel der Akteure sehr intensiv, sehr lebensecht. Da wurde alles gezeigt, was im echten Leben so geschieht. Wie Beziehungen harmonisch sind, oder nur so wirken. Wie sie doch eine Offenheit für Selbsterfahrung brauchen, für ein sich Finden können. Um das Finden ging es zunächst einmal. Juliano Pereira und Tiana Lara Hogan waren die Suchenden, die zunächst sich erst einmal selbst erfahren mussten, hinreißend getanzt. Zu wem fühlen sie sich hingezogen? Mehr zum gleichen Geschlecht, oder doch zum anderen? Sie brechen dabei auch in Beziehungen ein, ungewollt, das wird dadurch möglich, weil diese eben nicht mehr so eindeutig eng gelebt werden. So sind wunderschöne Bilder zu sehen, kleine Geschichten, miteinander verbunden, wie Menschen ihre Beziehungen leben. Dabei werden verschiedene Stationen aufgezeigt. Frischverliebt, schon lange miteinander lebend. Nicht zufrieden und auf der Suche. Der Wille auszubrechen aus einer falschen Beziehung, die so nicht gewollt war. Dabei aber mit dem Partner kämpfend, der nicht loslassen will. Young Soon Hue lässt den Ausgang bewusst offen. Denn das Leben ist so eine Suche nach einer Beziehung die der Seele guttut. Wer ist der richtige Partner? Hier wird nicht moralisiert. Die Liebe ist frei, muss frei sein, unterstreicht sie mit ihren eindrucksvollen Szenen, durch phantastische Akteure vermittelt.
Dann im dritten Teil Ricardo Fernando. „Nacht“ heißt seine Choreographie. In der Dunkelheit, perfekte Ausleuchtung durch Peer Palmowski, begegnen sich die Menschen mit ihren Emotionen. Liebe, Hass, Zweifel, Einsamkeit treffen aufeinander. Sehr eindrucksvoll von den Tänzern des Ensembles dargestellt. Die Aktionsfläche wird durch einen „Fließenden Vorhang“ begrenzt. Durch diesen Vorhang kommen sie, die gezeigten Gefühle, gleich wie, wenn sich das Unterbewusste ins Bewusstsein drängt. Wenn es offenbar wird, was im Menschen vorgeht, wie es um sein Seelenleben bestellt ist. Und es kann wieder verdrängt werden. Eine sehr interessante Lösung, die auf diese Weise Ricardo Fernando die Möglichkeit gibt seine sehr intensive Geschichte zu erzählen. Sehr eindrucksvoll eine Szene, in der ein Mann auf der Bühne einen Brief in den Händen hält. Die Frau hat ihn wohl verlassen. Verzweiflung, Enttäuschung, Verletztheit perfekt gespielt. Im Hintergrund lässt Ricardo Fernando die Erinnerungen des Brief lesenden Mannes an seine anscheindend glückliche Beziehung tanzen. Sehr dynamisch, sehr körperintensiv vermittelt er die Emotionen des Lebens. Es ergreift die Menschen, sie sind beinahe schutzlos diesen Wellen ihrer Gefühle ausgesetzt, erliegen ihnen und stehen wieder auf, um sich dem Leben neu zu stellen. Sie zeigen ihre Maskierung und ihr wahres Ich. Es ist dramatisch, harmonisch, beängstigend zugleich.
Niemand wollte diese drei intensiven Bilder stören. Die Zuschauer aber waren hellauf begeistert und es gab zu Recht am Ende langanhaltende stehende Ovationen für das Ensemble, für Hugo Viera, Young Soon Hue, Ricardo Fernando, Peer Palmowski, Heiko Mönnich, Maria Hilchenbach, Carla Silva und Michael Albert.
Und dieses Ensemble ist einfach atemberaubend, sehenswert: Yoko Furihata, Tiana Lara Hogan, Lara Lioi, Hayley Macri, Carolinne de Oliveira, Sandra Resende, Eunji Yang, Brendon Feeney, Shinsaku Hashiguchi, Leszek Januszewski, Juliano Pereira, Huy Tien Tran, Matt Williams, Peter Matkaicsek.
Weitere Vorstellungen dieser absolut sehenswerten Trilogie: 27.3.2013; 5.4.2013; 12.4.2013; 18.4.2013; 20.4.2013 und 25.5.2013 jeweils um 19:30 Uhr. Am 28.4.2013  um 18:00 Uhr. Am 5.5.2013 beginnt die Vorstellung um 15:00 Uhr. Karten gibt es unter 02331 207-3218 oder www.theater.hagen.de, an allen Bürgerämtern, sowie bei den EVENTIM-Vorverkaufsstellen.
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