Der wahre Wert des Hagener Waldes

Wald1 (1) Wald6Wald8So naturnah und artenreich wie möglich ins kommende Jahrhundert

Hagen – Auf 41 Prozent des 16.000 Hektar großen Stadtgebietes wächst Wald, das sind rund 300 Quadratmeter für jeden Einwohner. Damit gilt Hagen als die waldreichste Großstadt im Ruhrgebiet. 1.700 Hektar Forst gehören der Stadt selbst. „Der Erhalt und die Pflege dieses wirtschaftlich genutzten Erholungswaldes bedeutet für uns eine große Verantwortung“, weiß Förster Michael Knaup.

Während der Förster seinen schweren Geländewagen sicher über die Waldwege in Richtung Hinnenwiese lenkt, kommen uns an diesem herrlichen Spätsommermorgen immer wieder Spaziergänger entgegen. Vom Beifahrersitz aus zeigt Hans-Joachim Bihs auf die Kyrill-Flächen, die sich in den Jahren nach dem Sturm durch neuen Bewuchs arg verändert haben.

„Das hat uns mit Blick auf unsere Wirtschaftlichkeit arg zurückgeworfen“, muss der Vorstand der Wirtschaftsbetriebe Hagen, zu dem der Fachbereich Forst gehört, neben Erholungswert und naturgemäßem Waldbau auch die nackten Zahlen im Auge haben. Für rund 310.000 Euro will der Fachbereich in diesem Jahr Holz an Sägewerke und Großhändler verkaufen.

„Das müsste zu schaffen sein“, überschlägt Förster Knaup den bisherigen Verkauf und die noch anstehenden Geschäfte im Kopf. Während Buchenstämme aus dem Stadtwald noch in diesem Jahr in Münster versteigert werden sollen, sind Fichten für Dänemark reserviert.

„Aber“, wirft Michael Knaup ein, „wir schlagen nicht einfach ein, um möglichst viel zu verkaufen. Wir müssen den Markt genau beobachten und wir müssen vor allem mit unseren Ressourcen schonend umgehen.“ Rund 30 bis 40 Festmeter pro Hektar Wald seien realistisch. Für Fichte sei zwar nach wie vor der höchste Preis zu erzielen, aber auch Douglasie ist neuerdings gefragt. Ein Trend, dem Knaup beim Aufforsten gerne Rechnung trägt.

„Wir wollen uns breiter aufstellen. Wo früher nur Fichte wuchs, die sich zwar leicht pflegen und gut vermarkten lässt, bringen wir heute Lärche, Kirsche und Tanne in den Wald. Die Vielfalt bildet ein Gemälde, bei dessen Anblick dem Förster das Herz aufgeht“, schwärmt er. Auch den praktischen Nutzen verschweigt der Experte nicht. Ein Mischbestand, so zeigen die Erfahrungen aus der Forstwirtschaft, trotze einem Orkan viel besser als ein reiner Fichtenwald. „35 Prozent Fichte und 65 Prozent Buche, das ist ein gutes Verhältnis.“

Nachdem Förster Knaup seinen Dienstwagen hoch über dem Hasperbach-Tal auf einer Bergkuppe angehalten hat, ist schon von weitem die Kettensäge zu hören, mit der Nico Bielefeld, einer von zwei Auszubildenden im Fachbereich Forst, eine stattliche Fichte fällt. Während Ausbilder Ruven Filmar die routinierten Handgriffe des angehenden Forstwirtes genau beobachtet, fährt sein Kollege Thomas Mann mit dem schweren Schlepper langsam durch den restlichen Bestand.

„Wir versuchen hier, so schonend wie möglich zu durchforsten. Dabei hilft uns dieser Schlepper mit Kranausleger“, erläutert Michael Knaup. Das geschlagene Holz wird zum späteren Transport in ein Sägewerk an der Möhne angehoben und gestapelt und muss nicht über den Waldboden gezogen werden. So werden junge Triebe geschont, setzt doch der naturgemäße Waldbau weniger auf die Aufforstung durch das Anpflanzen junger Bäume als vielmehr auf die eigene Aussaat.

„Der Wald, der sich selbst verjüngt, wird robuster“, zählt der Fachbereichsleiter Forst neben der Artenvielfalt einen weiteren Vorteil auf. Das Ökosystem Wald soll möglichst wenig gestört werden, damit die natürlichen Regulationsmechanismen greifen können. Dabei gibt es aber mit dem Rehwild auch einen natürlichen Feind: Ein zu dichter Wildbestand sorgt für zu viel Wildverbiss. Da müsse man, so Knaup, den Rehen mal kräftig an die Ohren fassen. Was das heißt, erläutert Hans-Joachim Bihs: „Hier sind die Jagdpächter in der Verantwortung, regulierend einzugreifen.“

Während auf der Bergkuppe weitere Bäume fallen, haben die beiden Männer auf der Motorhaube des Geländewagens eine Karte ausgebreitet. Mit dem Finger weist WBH-Vorstand Bihs auf einige weiße Flecken auf der farbigen Karte.

„Wir werden demnächst einige Parzellen zukaufen. Auch wollen wir versuchen, Parzellen, die dem Ruhrverband gehören, gegen eigene Waldgrundstücke zu tauschen, um die Lücken in unserem Bestand zu schließen. Das erleichtert uns das Bewirtschaften und ist eine Investition in die Zukunft.“

Dabei denken die Forstleute in Dimensionen, die die Erholungssuchenden im Hagener Wald wohl weniger vor Augen haben. Die Fichten, die an diesem Tag geschlagen wurden, sind bereits 60 bis 70 Jahre alt. Und wenn Förster Michael Knaup beim Anblick der Sämlinge den Wald der Zukunft vor Augen hat, dann sind 100 bis 150 Jahre ins Land gegangen.

„Rechnet man die Ökologie, die angestrebte Wirtschaftlichkeit und den Erholungswert unseres Waldes zusammen, dann hat Hagen mit seinen großen Waldflächen einen immensen Wert, den es zu pflegen und zu erhalten gilt. Das sollten wir uns beim Anblick dieser herrlichen Natur öfter mal vor Augen halten“, kommt Hans-Joachim Bihs auf der Informationsfahrt durch den Stadtforst bei guter Luft und Ruhe ins Schwärmen. Sicher nicht zu Unrecht, denn schon geht es wieder bergab in Richtung City. Nach nur zehn Minuten Fahrt über Schotterwege hat der Geländewagen wieder Asphalt unter den Rädern und der Lärm der Großstadt dringt ins Wageninnere.

Hintergrund:

Das Ziel ist ein naturnaher, sich selbst verjüngender, stufiger, artenreicher und stabiler Mischwald durch:

  • naturgemäßen Waldbau

  • die Nutzung von Einzelbäumen zur natürlichen Waldverjüngung

  • Vermeidung von Kahlschlägen

  • Ergänzung von Monokulturen durch standortgerechte Mischbaumarten

  • Förderung des Laubholzanteils

  • Pflegliche, den Boden und die Vegetation schonende Holzernteverfahren

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